Erzieherinnen aus Lateinamerika
in Baden-Württemberg

Munderkingen, eine 5000 Einwohner-Gemeinde im Alb-Donau-Kreis, südwestlich von Ulm, könnte die reinste Idylle für junge Familien sein: eine malerische Altstadt mit schindelgedeckten Giebelhäusern, direkt am Donauufer gelegen. Drei Kitas, eine Grundschule und weiterführende Schulen, hervorragende Bahnanbindung, ein engagierter Bürgermeister und ein zupackender Verwaltungschef. Der perfekte Ort für Familien – nur: die Kitas haben zu wenige Erzieher*innen. Keiner der üblichen Wege der Personalsuche half: Werbung auf Instagram, Stellenanzeigen auf der eigenen Website oder in der Tageszeitung – alles erfolglos. „Wir haben nur sehr wenige oder komplett untaugliche Bewerbungen bekommen“, berichtet Munderkingens Bürgermeister Thomas Schelkle. „In Deutschland fehlen insgesamt 100.000 Erzieherinnen und Erzieher. Das bekommen auch wir zu spüren.“ 

Deshalb entschlossen sich der Bürgermeister und sein Verwaltungsleiter Axel Leute zusammen mit dem Gemeinderat zu einem innovativen Schritt: Im Oktober 2024 beauftragten sie TalentOrange mit der Gewinnung von drei fertig ausgebildeten Erzieherinnen aus Lateinamerika. Seit Anfang Februar 2025 arbeiten nun Lucia Gallo (36) und Yisell Romero (26) aus Kolumbien sowie Mildred Flor (31) aus Ecuador als pädagogische Assistentinnen im Munderkinger Kinderhaus Schillerstraße. Alle drei haben ein abgeschlossenes Bachelorstudium in frühkindlicher Bildung. Damit ihr Abschluss auch in Deutschland anerkannt wird, fehlt nur noch ein Anerkennungsjahr. „Das dürfen sie nach Rücksprache mit dem Innenministerium bei uns auf neun Monate verkürzen“, sagt Thomas Schelkle. Alle drei Frauen haben das Sprachzertifikat B2 in Deutsch in einem neunmonatigen Vollzeit-Sprachkurs im Heimatland erworben. Sie konnten schon bei Arbeitsstart flüssig sprechen sowie die Kinder und Kolleg*innen gut verstehen. 

Mitte Oktober 2024 fand eine Videokonferenz statt, bei der sich alle Beteiligten kennenlernen konnten. Danach hat sich die Gemeinde Munderkingen für die drei jungen Frauen entschieden. Eine Mitarbeiterin von TalentOrange reiste nach Munderkingen, um sich die Arbeitsplätze der Erzieherinnen und die Wohnung, die die Kommune bereitstellt, zu besichtigen. „Es ist wichtig, dass wir uns um die Menschen, die neu nach Deutschland kommen, auch kümmern“, sagt Schelkle. Das ist in der Tat so: Die kleine Gemeinde steckt voller engagierter Menschen, die die drei jungen Frauen freundlich aufnehmen. Ziel ist, dass sie nach dem Anerkennungsjahr mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag nahtlos als Erzieherinnen bei der Stadt Munderkingen arbeiten. Nach der Erfahrung von TalentOrange sind 96 Prozent der internationalen Fachkräfte nach 5 Jahren noch in Deutschland, 85 Prozent arbeiten nach fünf Jahren weiterhin an ihrer ersten Stelle. „Wir hoffen natürlich auf eine 100-Prozent-Quote,“ sagt Axel Leute, „und sorgen dafür, dass es den drei Erzieherinnen hier gut geht.“   

Das klappt - die jungen Frauen sind glücklich, in Munderkingen Arbeit in ihren erlernten Berufen gefunden zu haben. Denn in Kolumbien und Ecuador gibt es auf eine freie Erzieher*innen-Stelle nicht selten 400 Bewerbungen – die Arbeitsmarktsituation ist genau umgekehrt. Yisell Romero mag es darüber hinaus, dass die Kinder in Deutschland selbstbestimmter spielen können als in ihrer Heimat Kolumbien. Dort ist die Kita eher eine Vorschule mit strengem Lehrplan. Lucia Gallo sagt: „Für mich ist es ein Traum, in Deutschland zu arbeiten und eine große Chance, mich als Erzieherin weiterzuentwickeln.“ Mildred Flor ist es wichtig, Deutschland kennenzulernen und ihre Kenntnisse in Montessori-Pädagogik, die sie in Ecuador erlernt hat, anzuwenden.  

Die Stadt Munderkingen ist überzeugt: Die Investition in die Auslandsrerkutierung lohnt sich. In dem Betrag, den der Arbeitgeber zahlt, sind sämtliche Kosten für die Vermittlung, den Sprachkurs, die Visa, alle administrativen Angelegenheiten und den Umzug der Erzieherinnen enthalten. „Wir haben im Grunde keine andere Aufgabe, als sie herzlich willkommen zu heißen“, sagt der Verwaltungsleiter. Entlohnt werden die jungen Frauen nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Bürgermeister Schelkle und Verwaltungsleiter Leute sind überzeugt, dass die Stadt, würde sie weiterhin auf dem herkömmlichen Weg Erzieherinnen suchen, genauso viel Geld ausgeben würde – aber ohne die Garantie, tatsächlich eine Fachkraft zu bekommen. „Wir sind es den Familien in Munderkingen schuldig, unser Betreuungsangebot aufrechtzuerhalten“, sagt Schelkle. Jetzt hat er einen Weg dahin gefunden. 

In diesem Video stellen sich Lucia Gallo, Yisell Romero und Mildred Flor persönlich vor und berichten über ihre Erfahrungen als Erzieherinnen in Munderkingen.

Videoquelle: Schwäbische Zeitung. Alle Rechte vorbehalten.